Der Concordiasee

Am Concordia-See
Der Concordia-See mit Yachthafen am Nordufer bei Schadeleben
Der Concordiasee ist ein eindrucksvoller See im nördlichen Harzvorland und das größte Gewässer im weiteren Umkreis. Er befindet sich in einem Tagebaurestloch zwischen Schadeleben im Norden, Gatersleben im Westen und Nachterstedt im Süden. Der künstliche See stellt das Zentrum der mit touristischer Perspektive ausgestatteten Bergbaufolgelandschaft "Harzer Seeland" dar. In bestimmten Bereichen am Nordufer sind bereits heute Baden und Wassersport möglich. Dort gibt es auch einen Aussichtspunkt, ein Restaurant sowie eine Promenade mit herrlichen Ausblicken auf das imposante Gewässer.
Der historische See
Als sich am Ende der letzten Eiszeit die mächtigen Inlandgletscher allmählich in Richtung Norden zurückzogen, verblieb im nördlichen Harzvorland zunächst ein großer Eisberg zwischen den heutigen Städten Halberstadt und Aschersleben. Während sich ringsumher die Vegetation das Land zurückeroberte, schmolz der Eisblock langsam dahin und hinterließ einen großen See.

Einige Jahrtausende später war dieser See verlandet und hatte sich in ein weitreichendes Sumpfgebiet verwandelt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts ordnete der Halberstädter Bischof die Flutung dieses Areals an. Der neu entstandene See entwickelte sich schnell zur Heimstatt unzähliger Fischarten und damit zur Lebensgrundlage der umliegenden Orte wie z.B. Schadeleben, welches zum Fischerdorf wurde.

Etliche Generationen waren ins Land gegangen und der See hatte wiederum sein Antlitz verändert. Als Folge des 30jährigen Krieges und im Zusammenhang mit dem Westfälischen Frieden gelangte das Bistum Halberstadt mitsamt dem allmählich wieder verlandenden Gewässer an das aufstrebende Preußen. Dessen König Friedrich I. ließ Ende des 17. Jahrhunderts das Gebiet entwässern, um Wohn- und Ackerland für die wachsende Bevölkerung zu schaffen. Im Umfeld entstanden neue Siedlungen wie Königsaue und Friedrichsaue, deren Namen noch heute an den ersten Preußenkönig erinnern. Diese durch Gräben urbar gemachten Gebiete wurden seinerzeit als "Seeländereien" bezeichnet.

Der Tagebau Nachterstedt
Mehr als ein Jahrhundert lang war die Region um Nachterstedt nun landwirtschaftlich geprägt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts klopfte jedoch auch im nördlichen Harzvorland das Industriezeitalter mitsamt seinem enormen Energiehunger an der Tür.

Im Jahre 1833 begann man bei Königsaue mit dem Abbau von Braunkohle, einem trotz der relativ geringen Energiedichte begehrten Rohstoff. Um 1840 entdeckte man auch südlich der damaligen Ortschaft Nachterstedt ein rund 24 Meter mächtiges Kohleflöz in geringer Tiefe. Etwa ein Jahrzehnt später fanden dort erste Abbauversuche im Tiefbau statt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten begann im Jahre 1856 die kommerzielle Kohleförderung sowohl im Tief- als auch im Tagebau. Im Folgejahr schlossen sich alle beteiligten Gruben zur Gewerkschaft Concordia zusammen.

Der Kohleabbau erfolgte zunächst entgegen dem Uhrzeigersinn rund um das damalige Nachterstedt. Mit zunehmender Technisierung der Förderung konnte die Kohle immer effektiver und bald im reinen Tagebaubetrieb gewonnen werden. Im Tagebau Nachterstedt wurde im Jahre 1889 mit dem erstmaligen Einsatz eines Eimerkettenbaggers Technikgeschichte geschrieben.

Der Tagebau erhielt im Jahre 1865 einen Anschluß an das nationale Eisenbahnnetz. Im Umfeld entstanden zahlreiche Betriebe zur Weiterverarbeitung des Rohstoffs, u.a. Paraffin- und Brikettfabriken, Schwelereien und ein Kraftwerk.

All diese bergbaulichen Tätigkeiten blieben natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Umwelt. Fielen in den ersten Jahrzehnten nur landwirtschaftliche Flächen dem Tagebau zum Opfer, folgten im 20. Jahrhundert auch menschliche Siedlungen. Auf Haldenarealen aus dem 19. Jahrhundert südlich des Tagesbaus entstanden in den 1920er Jahren erste Neubauten für die in Nachterstedt lebenden Bergleute. Bis 1952 erschuf man den Ort Nachterstedt am Südrand des Tagebaus komplett neu, während die historische Siedlung Stück für Stück von den Kohlebaggern verschlungen wurde. Die benachbarte Ortschaft Königsaue ereilte in den 1960er Jahren ein vergleichbares Schicksal.

Das Ende der Bergbau-Ära
Mit dem Ende der DDR war auch das Schicksal des Tagebaus Nachterstedt besiegelt. Unter den veränderten Bedingungen war der Abbau der Braunkohle nicht mehr rentabel. Das laut Plan als nächstes zur Förderung anstehende Kohleflöz am südlichen Ortsrand von Schadeleben blieb somit unangetastet. Nach 135 Betriebsjahren endete 1991 die Kohlegewinnung an diesem Standort. Lediglich das bereits freigelegte Material wurde noch bis 1994 der Lagerstätte entnommen.

Im Zeitraum von 1856 bis 1991 war der Tagebau Nachterstedt inklusive der Halden auf eine Fläche von beinahe elf Quadratkilometer angewachsen und dabei ungefähr 70 Meter in die Tiefe vorgedrungen. Es wurden insgesamt mehr als 170 Millionen Tonnen Kohle gefördert und dafür fast 300 Millionen Kubikmeter Abraum bewegt.

Bereits im Jahre 1992 begannen die Sanierungsarbeiten an dem etwa 620 Hektar großen Tagebaurestloch. In der Mitte der 1990er Jahre entschied man sich auch für eine touristische Nachnutzung des vormaligen Bergbauareals.

Mit dem Abstellen der Pumpen füllte ab 1996 das Grundwasser den einstigen Tagebau. Zwei Jahre darauf begann man außerdem mit der zusätzlichen Einleitung von Wasser aus der Selke in den sich rasch entwickelnden neuen See. Dieser wurde nach der ehemaligen Betreibergesellschaft des Tagebaus auf den Namen "Concordiasee" getauft. Seine volle Größe von rund sechs Quadratkilometern bei einer Tiefe von 60 Metern sollte er im Jahre 2015 erreichen.

Um die Jahrtausendwende entstand rund um den Concordiasee eine umfangreiche touristische Infrastruktur. Zu dieser gehört u.a. ein ausgedehnter Sandstrand, eine attraktive Strandpromenade, eine Anlegestelle für Segelboote inklusive Bootsverleih, mehrere Parkplätze sowie ein großer Kinderspielplatz. Des Weiteren baute man eine Ferienhaussiedlung und einen Campingplatz, ein großes Reitsportzentrum mit mehreren Reithallen, eine Gaststätte und diverse Übernachtungsgelegenheiten. Zwei Aussichtspunkte bei Schadeleben und bei Nachterstedt ermöglichten malerische Ausblicke auf den sich bildenden See und die umgebende Bergbaufolgelandschaft. Im weiteren Umfeld ergänzten Rad- und Wanderwege sowie verschiedene andere Freizeiteinrichtungen die Palette der Möglichkeiten.

Im Jahre 2002 erfolgte die teilweise Freigabe des Concordiasees an die Öffentlichkeit zur Nutzung der neu geschaffenen Angebote. Ein "Seelandperle" genanntes Ausflugsschiff bot Rundfahrten über das künstliche Gewässer an.

Ein Erdrutsch durchkreuzt alle Pläne
Die Siedlung "Am Ring" gehörte in den 1920er Jahren zu den ersten Neubauprojekten vor der endgültigen Umsiedlung von Alt-Nachterstedt. Sie wurde auf einem Haldenareal aus dem 19. Jahrhundert errichtet und befand sich direkt oberhalb eines bereits sanierten Teils des Südufers des Concordiasees.

Etwa acht Jahrzehnte hatte diese Häusergruppe Bestand. In den frühen Morgenstunden des 18. Juli 2009 stürzten ein Doppelhaus und eine Doppelhaushälfte gemeinsam mit etwa 4,5 Millionen Kubikmetern Erde und Geröll ohne Vorwarnung in die Fluten des Sees. Drei Menschen wurden von den Erdmassen mit in die Tiefe gerissen und werden dort wohl für alle Zeiten unauffindbar verschüttet bleiben. Ebenfalls im See versanken ein Aussichts- und Informationspunkt mitsamt einer historischen Grubenlok.

Der Erdrutsch löste eine gewaltige Flutwelle aus, welche am gegenüber liegenden Ufer bei Schadeleben das Ausflugsschiff Seelandperle an Land spülte. In der Folge stieg der Wasserspiegel im Concordiasee um 70 Zentimeter an.

Das verheerende Unglück durchkreuzte die mit dem Gewässer und seinem Umland verbundenen Pläne. Die touristische Nutzung des Areals wurde aus Sicherheitsgründen sofort gestoppt und auch ein Betreten der Uferzonen untersagt. Ebenso pausierte die weitere Flutung des Concordiasees bis zur Klärung der Ursachen und der Sanierung des Rutschungskessels.

Die überlebenden Bewohner der Siedlung "Am Ring" durften ihre Häuser nicht mehr betreten. Im Jahre 2013 wurden alle verbliebenen Gebäude in diesem Bereich abgerissen.

Neue Perspektiven
Ganze zehn Jahre sollte es dauern, bis im Juli 2019 ein Teilbereich des Concordiasees wieder für die Öffentlichkeit freigegeben werden konnte. Aufgegeben hat man vor Ort die touristischen Pläne aber nie, auch wenn der Weg bis zum Ziel noch sehr lang und nicht ohne Hindernisse ist. Der Concordiasee soll sich bis zum Jahre 2035 zu einem auch überregional bekannten Erlebnis-, Sport- und Freizeitzentrum entwickeln.

Die Sanierung der Bergbaufolgelandschaft wird fortgesetzt und auch der Wasserspiegel steigt geplant weiter an. Seine endgültige Größe soll der Concordiasee nun voraussichtlich im Jahre 2030 erreichen. Am Aussichtspunkt nahe der "Arche Noah" genannten gastronomischen Einrichtung an der nördlichen Seepromenade ist der zukünftige Wasserstand mit blauer Farbe auf den Steinen markiert.

Die Planungen für das Nordufer am Ortsrand von Schadeleben sind seit langer Zeit recht weit fortgeschritten und wurden durch das tragische Unglück am gegenüber liegenden Ufer nur verzögert. Thematisch soll hier das "Abenteuer Familie" im Mittelpunkt stehen. Einen dazu passenden Spielplatz gibt es schon seit der Jahrtausendwende, der Badebereich mit Sandstrand wurde nun ebenfalls wieder zum Leben erweckt. Am dortigen Hafen besteht neben dem Verleih von Booten auch die Möglichkeit zum Surfen. Ein Campingplatz, Ferienhäuser sowie eine ufernahe Wiese für Freiluftveranstaltungen sollen das Angebot abrunden.

Am Südufer bei Nachterstedt soll der künftige touristische Schwerpunkt im Bereich des Wassersports liegen. Dafür muss nach der vorherigen Sanierung des Gebietes noch ein entsprechendes Hafenareal erschaffen werden. Dieses Sport- und Freizeitzentrum soll sich ungefähr dort befinden, wo im Jahre 2009 der Erdrutsch stattfand.

Das östliche Ufer des Concordiasees wird nach den derzeitigen Planungen ein Refugium für Wanderer und Radfahrer. Hier steht die Natur im Zentrum aller Aktivitäten, wozu natürlich auch ein Aussichtspunkt mit Blick auf den See gehört. An Tagen mit guter Fernsicht können Sie von dort den Harz mit dem etwa 50 Kilometer entfernten Brocken sehen.

Freizeit-Aktivitäten am Concordiasee
Bereits heute können Sie am Concordiasee eine abwechslungsreiche Zeit verbringen. Der See stellt eine bedeutende Station auf dem am nördlichen Ufer entlangführenden Europaradweg R1 dar. Mehrere Aussichts- und Rastpunkte ermöglichen eine malerische Sicht auf das künstliche Gewässer und bieten die Gelegenheit, eine kleine oder auch größere Pause einzulegen.

In der warmen Jahreszeit lädt der weitläufige Sandstrand bei Schadeleben zum Baden ein. Am benachbarten Yachthafen gibt es außerdem einen Segelbootverleih und die Möglichkeit zum Surfen. Alle anderen Uferbereiche sind derzeit noch nicht wieder zugänglich.

Im weiteren Umfeld des Concordiasees finden Sie obendrein bei Neu Königsaue ein Reitsportzentrum und ganz in der Nähe den bereits erwähnten Abenteuerspielplatz.

Maximaler Wasserstand und Ewigkeitskosten
Voraussichtlich um das Jahr 2030 soll der Concordiasee seinen maximalen Wasserstand bei 103 Metern über dem Meeresspiegel erreicht haben. Dieser Füllstand ist der Wert, auf welchen man sich im Vorfeld nach gründlicher Abwägung aller Faktoren geeinigt hat. Würde man das Wasser im Tagebaurestloch ungehindert ansteigen lassen, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Umgebung. Seinen natürlichen Überlauf hätte der See erst bei einem etwa 4,50 Meter höheren Wasserspiegel.

Das überschüssige Wasser würde sich dann in diesem Fall einen Weg in Richtung Selke suchen oder vom Menschen in eine entsprechende Bahn dorthin gezwungen werden. Im Umfeld wäre mit einem deutlichen Ansteigen des Grundwasserspiegels zu rechnen, wobei viele Regionen des historischen Seeareals für die Landwirtschaft nicht mehr nutzbar wären. Ebenso entständen diverse flache Dauergewässer ähnlich den heute schon nördlich von Frose befindlichen. Des Weiteren muss bei steigendem Grundwasser mit zusätzlichen Schäden an der Infrastruktur gerechnet werden. Die Landstraße zwischen Frose und Schadeleben gibt bereits jetzt einen Ausblick auf ein solches Szenario.

Somit werden also auch beim Concordiasee die für die Zeit nach der Beendigung des Kohleabbaus typischen Ewigkeitskosten anfallen. Das in den See strömende Grundwasser soll daher ab einem Wasserspiegel von 103 Meter NHN in den Hauptseegraben gepumpt und von dort aus nördlich von Gatersleben in die Selke geleitet werden. Der im 19. Jahrhundert erbaute Wassergraben dürfte damit an seine Leistungsgrenze kommen und muss deshalb wohl an die künftigen Aufgaben angepasst werden.

An Stelle eines bis in alle Zukunft notwendigen Hochpumpens des Wassers wäre auch eine Nutzung des natürlichen Gefälles zum Abtransport möglich. Dafür müsste ein rund 12 Kilometer langer Graben bzw. zumindest teilweise auch unterirdischer Wasserlauf in Richtung Nordosten erbaut werden, welcher dann bei Staßfurt in die Bode münden würde. Die Errichtung solch eines komplexen wasserwirtschaftlichen Bauwerkes wäre zwar prinzipiell machbar, aber nur sehr aufwändig und kostenintensiv zu realisieren. Auch in diesem Fall käme man jedoch um zeitlich unbegrenzt nötige Wartungsarbeiten nicht herum.


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